Mittwoch, 26. April 2017
Neue Glocke gegossen für Kirche St. Dreifaltigkeit
Hoch oben, in einem Winkel, hängt ein großes Kreuz. Es ist in dem dunklen Raum kaum zu erkennen, so verrußt ist es. Aber es ist ein Zeichen dafür, dass die Inhaber der Glockengießerei Bachert Karlsruhe GmbH bei ihrer Arbeit auch den Beistand Gottes suchen. Und deshalb bittet Firmeninhaber Albert Bachert vor dem Glockenguss nicht nur um Ruhe – sondern um ein gemeinsames Gebet, damit das Werk gelingen möge.
30 Pfarreimitglieder der Pfarrei Hl. Cäcilia in Ludwigshafen haben sich vergangene Woche aufgemacht nach Karlsruhe. Denn dort wurde die neue Glocke für ihre Kirche St. Dreifaltigkeit gegossen. Es wird nicht irgendeine Glocke – das Material stammt aus der Kirche Heilig Kreuz.
Heilig Kreuz – das war zwischen 1962 und der Aufhebung als Sakralbau am 13. April 2010 der Name eines katholischen Gotteshauses im Ludwigshafener Stadtteil West, ganz in Nähe des Hauptfriedhofs gelegen. Die Kirche war Kernpunkt einer bereits 1958 gegründeten Pfarrei, der erste Spatenstich zum eigenen Gotteshaus war 1961, die Weihe folgte am 30. September 1962.
2006 wurde diese Kirche geschlossen, 2011 erfolgte der Verkauf des Gebäudes an einen Künstler. Seitdem ist es still geworden um das Gebäude. Viele Gemeindemitglieder schmerzt das. Im offenen Turm der Kirche hingen sechs Glocken. Zwei davon sind jetzt zur neuen Glocke „Heilig Kreuz“ umgegossen worden, die mit rund 520 Kilo Gewicht, 91 Zentimeter Durchmesser und der Tonlage „b'“ eher zu den kleineren Kirchenglocken zählt. Sie wird künftig das bestehende Geläute der Kirche St. Dreifaltigkeit aus bisher fünf Glocken ergänzen.
An diesem Nachmittag werden in Karlsruhe insgesamt vier Glocken gegossen – drei weitere für eine Kathedrale in Slowenien, und auch von dort ist eigens eine Delegation angereist. So ein Glockenguss muss sich lohnen – angesichts der riesigen Energie, die aufgewendet werden muss, um das Bronzematerial zu schmelzen und in die vorbereitete Gießgrube fließen zu lassen. Die anderen Glocken sind alle größer als die für Ludwigshafen: Sie wiegen zwischen 640 und 2250 Kilogramm.
Wie eine Glocke von Beginn an entsteht, das erfahren die Ludwigshafener aus einem Film, der an die Herstellung der „Karlsruher Friedensglocke“ im Jahr 2004 erinnert. „Unsere Glocken werden kunsthandwerklich im traditionellen Lehmformverfahren hergestellt“, erläutert Geschäftsführerin Christiane Bachert. Aber, betont sie: „Jede Glocke verlässt unser Werk in Karlsruhe als einzigartiges und unverwechselbares Kunstwerk.“
Vieles wird noch genauso gemacht wie in den Anfangsjahren der Gießerei im frühen 18. Jahrhundert. Noch immer werden eine Vorform aus Lehm gefertigt, ein Modell der „falschen Glocke“ sowie ein Mantel. Während die falsche Glocke später abgeschlagen wird, bleiben die Vorform und der Mantel erhalten – in den Hohlraum dazwischen fließt die Bronze, und so entsteht die eigentliche Glocke.
Die "Rippe" – die Konstruktion der Glocke - ist hierbei das Herzstück. Durch sie wird der Teiltonaufbau der Glocke, ihre Resonanz und Klangfarbe bestimmt. Stolz ist das Unternehmen auf die „Bachert-Rippe, die sich durch eine besonders weiche, harmonische Klangentfaltung auszeichnet und sehr gut für die Ergänzung historischer Glocken geeignet ist“, darüber hinaus sind eine Vielzahl von weiteren Rippen möglich.
Für jeden Arbeitsschritt ist viel Handarbeit gefragt, etwa bei den Verzierungen und Schriften. Wie die bei der Ludwigshafener Glocke aussehen sollen, das ist längst entschieden: Die Glocke soll unmittelbar an die ehemalige Kirche Heilig Kreuz erinnern, betont Michael Heid vom Verwaltungsrat der Pfarrei Heilige Cäcilia: „Auf einer Seite der Glocke findet sich neben der Jahreszahl „1962 bis 2010“ ein Reliefbild der früheren Kirche Heilig Kreuz. Was das Kreuz als christliches Symbol bedeutet, liest man auf der anderen Glockenseite: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“ steht dort, entnommen aus einem Liedkehrvers für die Karfreitagsliturgie.“
Punkt 15 Uhr ist es dann soweit. Von der künftigen Glocke ist nichts zu sehen. Sie wie auch die anderen Glocken sind „festgemauert in der Erde“, tief eingebuddelt. In einem riesigen Kessel wird schon seit Tagen das Gießmaterial erhitzt. Gleich wird der erste „Schmelzkanal“ geöffnet, ein mit Steinen gefasster etwa zehn Zentimeter breiter Lauf, durch den die Bronze fließt. Fünf Männer, alle gut geschützt durch Thermomäntel und Handschuhe sowie Gesichtsschutz, beobachten und regulieren den Lauf. Eine große Flamme macht deutlich, mit welcher Hitze hier gearbeitet wird – sie ist auch ein Zeichen für die Luft, die die heiße Masse im Erdinnern verdrängt. Nach rund vier Minuten verkündet Christiane Bachert, dass der Schmelzkanal für die Ludwigshafener Glocke geschlossen wird; gerade einmal 15 Minuten dauert es, bis für alle vier Glocken das Material geflossen ist.
Applaus in der Halle bei den Beobachtern; aber Geschäftsführer Bachert wiegelt zuerst ab: Bisher wisse man nur, dass der Guss gut gelaufen sei – ob er auch gelungen ist, das müsse man abwarten. Nach etwa drei Tagen wird der Kanal abgebaut, dann buddeln sich die Mitarbeiter Stück für Stück nach unten, um die Glocken langsam austrocknen und erkalten zu lassen. Bei der ganz großen Glocke dauert dieser Vorgang bestimmt zwei Wochen, erläutert Christiane Bachert, bei der Ludwigshafener Glocke könne er schon nach einer guten Woche abgeschlossen sein. Dann beginnt – wiederum in Handarbeit – die Feinarbeit, bis die Glocke am Ende erstrahlt. Eine Stimmgabel und ein exaktes Prüfinstrument werden dann auch zeigen, ob die Glocke den richtigen Klang hat.
„Sie haben heute einen wichtigen Arbeitsschritt miterlebt“, gibt Christiane Bachert den Besuchern mit auf den Weg: „den Augenblick, als Ihre Glocke geboren wurde.“ Kleine Glöckchen werden extra als Erinnerung an diesen Tag noch hergestellt und am Tag der Glockenweihe verkauft, kündigt Verwaltungsratsmitglied Michael Heid an.
Die neue Glocke Heilig Kreuz soll am Sonntag, 18.06.2017, um 17 Uhr, in einem Vespergottesdienst von Bischof Karl-Heinz Wiesemann geweiht werden. Danach wird sie auf den Turm von St. Dreifaltigkeit gezogen. Auch dazu sind noch technische Vorarbeiten notwendig.
Die anderen Glocken von Heilig Kreuz:
Im September 1992 wurden die sechs Glocken von Heilig Kreuz gegossen – ebenfalls in Karlsruhe. Ab November 1992 bis 2006 läuteten sie zu Gottesdiensten in der Kirche Heilig Kreuz.
Am 18. April 2012 wurden die Glocken heruntergenommen, zunächst zwischengelagert. Doch inzwischen, so sagt Verwaltungsrat Michael Heid, dienen sie wieder dem ursprünglichen Zweck: Christengemeinden in Südafrika, Nigeria und Jordanien erhielten je eine Glocke, eine weitere erhielt die griechisch-orthodoxe Gemeinde in Ludwigshafen. Sie hat ihren Sitz in der früheren katholischen Kirche St. Maria, ebenfalls im Einzugsgebiet der heutigen Pfarrei Heilige Cäcilia gelegen. „Diese Verwendung war uns lieber, als alle Glocken einschmelzen zu lassen.“ Heid berichtet, dass fünf der sechs Glocken mit Hilfe der Spenden von Gemeindemitgliedern bezahlt wurden. Die sechste Glocke finanzierte Heribert Schwager, der damalige Gemeindepfarrer von Heilig Kreuz.
Gebet zum Glockenguss:
Allmächtiger Gott, Herr des Himmels und der Erde, die ganze Schöpfung verkündet dein Lob.
Sieh auf das Werk unserer Hände und segne dieses flüssige Metall, das für den Guss der Glocken bestimmt ist.
Leite seine feurigen Ströme und schenke unseren Mähen Erfolg.
Gib, dass die neuen Glocken deinen Namen verherrlichen inmitten deiner Gemeinde.