Freitag, 06. Februar 2015
Ökumenische Woche: Auf dem Weg zur „Kirche 3.0“
Die Ökumenische Woche in Friesenheim beschäftigte sich mit der Zukunft der Kirche. Beim Eröffnungsgottesdienst in der Friedenskirche verglich Diakon Karl-Ludwig Berberich „Kirche 3.0“ mit den Entwicklungsstadien einer Computer-Anwendersoftware: Sie müsse den Bedürfnissen des Anwenders entsprechen. Auf Kirche übertragen bedeute das: Das kirchliche Angebot müsse zu den Menschen passen, sie ansprechen. „Kirche 3.0“ müsse einladend und zu einem Lebensraum werden, wo Menschen das fänden, was sie für ihr Leben brauchen: Gott.
An den folgenden vier Tagen trafen sich je 80 bis 90 Gemeindemitglieder zu den Abendveranstaltungen in den anderen Gemeinden, um das Leitthema tiefer gehend zu behandeln.
Der Mannheimer Jesuitenpater Lutz Müller sprach über „Mission heute – Kirche auf Sendung“ und zeigte am Beispiel „Nightfever“, einer Abendveranstaltung unter seiner Leitung, wie Menschen in Mannheim über neue Formen der Begegnung mit Gott angesprochen werden können. Das Projekt „Nightfever“ wird in deutschen Städten als offene Kirche mit einer besonderen Atmosphäre aus Musik, Gebet und Kerzenlicht angeboten, zu einer Zeit, in der Kirchen normalerweise längst geschlossen sind. Die Menschen könnten so lange bleiben, wie sie möchten, führte Pater Müller weiter aus.
Die Sinus-Milieu-Studie über die Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland war das Thema von Professor Dr. Bernhard Spielberg aus Freiburg. Er stellte einige der zehn Milieus der Menschen mit ihrer Einstellung, ihren Lebensgewohnheiten und der Zugehörigkeit zur Kirche dar. Eine wichtige Erkenntnis für die katholische Kirche, die die Studie in Auftrag gegeben habe, sei es gewesen, dass in allen zehn Milieus ihre Mitglieder vertreten seien. Das bedeute, so der Professor, dass die Vielfalt der Gesellschaft sich auch bei den Kirchenmitgliedern widerspiegle, aber ein wesentlich geringerer Teil an kirchlichem Leben teilnehme. Konsequenz: Die Kirche müsse am Leben der Menschen „dran bleiben“. Die Entdeckung des Evangeliums in bisher unbekannten Lebenswelten sei die pastorale Aufgabe der Gegenwart.
Der evangelische Pfarrer Markus Weimer von der Badischen Landeskirche referierte zu „Gemeinde neu denken“ und berichtete über das Projekt „Fresh Expressions“ (Frische Ausdrucksformen), das die anglikanische Kirche 1990 als Maßnahme für die schwindenden Gemeinden angegangen sei und inzwischen auch in ökumenischer Zusammenarbeit mit „Kirche hoch Zwei“ in Deutschland praktiziert werde. In England versuchten Laien, mit Beauftragung des Bischofs, Gemeinden wieder oder neu zu gründen. Diese neuen Formen von Kirche wenden sich vor allem an Menschen, die sich innerhalb der herkömmlichen Strukturen kaum oder gar nicht beheimatet fühlen. Mit ihnen werden in ihrer jeweiligen Lebenswelt authentische Formen der Spiritualität und der Gemeinschaft entwickelt. Das Ergebnis sei überwältigend, wie Pfarrer Weimer berichtete, und mache Mut, das Projekt auch bei uns umzusetzen.
Bei der letzten Abendveranstaltung erfuhren die Teilnehmer von Haupt- und Ehrenamtlichen der Friesenheimer Kirchengemeinden, welches Lieblingsbild sie von Kirche haben. Die vorgestellten Bilder reichten vom Leib Christi und seinen Gliedern, Gemeinschaft mit Christus und den Menschen, Pilgerndes Gottesvolk, die Kirche als Schiff, Stadt Gottes, Kirche als Mittelpunkt und Orientierung bis zur Kirche als Ort der Begegnung.
Blieb am Ende der Ökumenischen Woche die Frage: Wie soll das „Anwenderprogramm“ Kirche 3.0 für die Kirche vor Ort in Friesenheim aussehen, um bei veränderten Bedingungen die Menschen in ihren Lebens- und Glaubenswelten zu erreichen? Dazu sind jetzt vor allem die Laien in der Kirchengemeinde aufgerufen. Denn Kirche sind nicht nur die Hauptamtlichen, Kirche sind alle, die auf den Namen Jesus getauft sind.
Text und Bild: Gerd Hilbert
Weiterführende Links
http://mannheim.nightfever.org/
www.milieus-kirche.de/
http://kirchehochzwei.de/cms/