Mittwoch, 15. November 2017

Kitaleiterinnen fordern bessere Rahmenbedingungen

Die Leiterinnen der 21 katholischen Kindertagesstätten in Ludwigshafen schlagen Alarm. Sie haben einen Brief an die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Dr. Stephanie Hubig geschrieben. In Erwartung eines neuen Kindertagesstättengesetzes im Land formulieren sie sehr drastisch, dass sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren für Kitas derart verschlechtert haben, dass sie in allen Bereichen negative Folgen zeigen: angefangen mit dem Personalschlüssel, der für veränderte Bedingungen nicht ausreicht, über die räumliche Situation und die teilweise sehr schlechte Ausbildung junger Erzieherinnen und Erzieher bis hin zu einer großen Zahl an Kindern, die aufgrund verschiedener Ursachen einen erhöhten Betreuungsaufwand erfordern.

„Wir haben jahrelang alles machbar gemacht, was eigentlich gar nicht machbar ist“, bringt es Bärbel Wendt, Leiterin der Kita St. Bonifaz in der Gartenstadt, auf einen Nenner. Aber sie stehen eine hohe Belastung für ihre Mitarbeiterinnen fest, einen hohen Krankenstand und nicht zufriedenstellende Arbeit.

Angefangen bei der Personalsituation: Der Betreuungsschlüssel liegt nach wie vor bei 1,75 Fachkräften für 25 Kinder. Nur geringfügige Erhöhungen gehen darauf ein, dass inzwischen auch Kinder unter drei Jahren die Kitas besuchen, die mehr Zuwendung brauchen und beispielsweise gewickelt werden müssen, was Zeit braucht, „weil das eine Beziehungssituation ist.“ Zahlreiche Kinder verbringen bis zu zehn Stunden in der Kita – die Berechnungsgrundlage stammt dagegen aus einer Zeit, als die Kinder mittags zwei Stunden zu Hause waren und dort gegessen haben.

Zu dieser knappen Personalausstattung kommen Zeiten, in denen die Erzieherinnen (nach wie vor sind vor allem Frauen hier tätig) Dinge vorbereiten und planen müssen, es gibt Urlaubsansprüche und Krankheitstage. Deshalb werden bei kurzfristtigen Personalengpässen aufwändige Projekte wieder abgesagt und Ausflüge gestrichen – oder schlimmer noch: „Leider kommt es inzwischen in jeder Einrichtung manchmal zu der Situation, dass wir morgens Kinder an der Tür wieder nach Hause schicken müssen“, berichtet Henriette Reiser, Leiterin der Kita St. Sebastian II.

Doch selbst, wenn der Betreuungsschlüssel angehoben wird, bleibt das Problem fehlender Fachkräfte. Und die, die sich vorstellen, schicken manche Kitaleiterinnen direkt wieder nach Hause: „Sie gelten teilweise als schwer vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt, machen eine kurze Ausbildung und denken: Für die Arbeit mit Kindern wird es schon reichen“, schimpft Heike Schindeldecker, Leiterin von Heilig Geist. „Es macht aber einen großen Unterschied, ob man Erzieherin wird, weil man gerne mit Kindern arbeitet und motiviert ist, oder nicht“, sind sich alle einig.

Ein weiterer Punkt: Leitungsaufgaben. Die Leiterinnen – zumindest von größeren Einrichtungen – fordern eine Freistellung von 100 Prozent für ihre Leitungsaufgaben. „Wir führen hier nebenbei einen Haushalt, wenn so viele Kinder zehn Stunden da sind, gewickelt werden müssen und essen“, bringt es Henriette Reiser auf den Punkt. Schwierige Elterngespräche, Kontakte zu Jugendamt und Netzwerkpartnern, Buchhaltung, Materialbeschaffung, Personalplanung – das alles ist Alltag. „Und dann sollen und wollen wir konzeptionell arbeiten und unsere Arbeit weiterentwickeln“, sagen die Frauen.

Schließlich fordern die Fachfrauen die Genehmigung von Mehrpersonal für Kinder mit erhöhtem Betreuungsaufwand. Und deren Zahl steigt. Über die Ursachen wollen die Pädagoginnen nicht spekulieren, aber die Symptome können sie eindeutig benennen: Kinder, die nicht mehr wissen, wie man spielt, die nicht beim Essen sitzen bleiben können, die sich von Fertignahrung ernähren, nicht kauen und dadurch Probleme beim Sprechen haben, die mit dem Kinderwagen gebracht werden und keine Treppen überwinden können, die nicht mit Gleichaltrigen klar kommen, aggressiv und nervös sind, weil sie einer Reizüberflutung ausgesetzt sind.

Die zwei Ludwigshafener Landtagsabgeordneten Marion Schneid (CDU) und Anke Simon (SPD)  wurden mit diesen Fakten bereits konfrontiert. „Sie haben versprochen, das Thema mit nach Mainz zu nehmen“, sagt Henriette Reiser. Sie und ihre Kolleginnen hoffen, dass ihr Brief die Verantwortlichen wach rüttelt – und wissen, dass es im Land weitere Initiativen gibt, die die gleichen Forderungen stellen.

Das Foto ( © Horst Heib) wurde in der Kita St. Sebastian II aufgenommen.