Dienstag, 31. März 2020

Früher habe ich einfach so hier rumgesessen – heute rette ich Leben

Impuls von Pastoralreferent Clemens Fiebig: Warum es guttut, manchmal still zu werden

Da sitzt ein Mann auf der Couch, bequem, im Unterhemd. „Früher habe ich einfach so hier rumgesessen“, denkt er, „heute rette ich Leben“. Witze zu erklären ist eigentlich ein Kapitalverbrechen. Aber dieser Corona-Witz hier hat schon ein paar Tage auf dem Buckel, ist also schon alt genug dafür.

Da tut einer zweimal genau dasselbe – und es ist dennoch völlig anders.

Nichtstun 1: Stellen wir uns vor, es wäre ein echter Schwabe, früher einmal darauf getrimmt, zum Schaffe, Schaffe, Häuslebaue. Dann jedoch ist das Allermeiste erledigt. Er setzt sich ohne weitere Motivation auf die Couch und sie lässt ihn nicht mehr los. Was denkt der über sich, jetzt, wo er zur Couchkartoffel geworden ist? Vermutlich das, was andere über ihn denken.

Nichtstun 2: Megafone fahren durchs Dorf und fordern auf, genau das zu tun, was er die letzte Zeit gemacht hat: Rumsitzen. Der Verlierer ist plötzlich ein Vorreiter, weil die Welt Kopf stehen muss, um nicht die gesunde Haltung zu verlieren.

Nun ist Faulheit keine ausgewiesene christliche Tugend. Aber das gilt genauso für blinden Aktionismus. Den etwas Fauleren fällt die Arbeit schwer, den etwas Hyperaktiven die Stille. Dieser Mann sitzt links sinnlos rum. Rechts hat er so etwas wie eine kleine Erleuchtung erlebt: Dass er nichts Falsches tut, ist schon etwas Richtiges.

Mit seinem freundlichen Lächeln im Gesicht kann er zum Beispiel die Umwelt schonen, indem er sie Umwelt sein lässt. Oder damit kann er die Gefährdeten schonen, indem er sie nichtansteckt. Oder er lässt Gedanken kommen, auf die ein Hektiker nie gekommen wäre. Konzentrierte, gute Gedanken kommen eher, wenn man andere Beschäftigungen sein lässt. Die Nachfolge der ersten Jünger beginnt sogar damit, dass sie ihr Werkzeug, ihre Netze, aus der Hand legen.

Mit so einem Mann kann man keinen Krieg gewinnen. Schon allein deswegen, weil er den Frieden gefunden hat.

Wir lernen gerade weltweit, wie die Umstände dasselbe Handeln in einem anderen Licht zeigen.

Das wäre sicher kein Rezept für jeden und zu jeder Zeit. Viele müssen gerade hart anpacken. Doch für manche ist genau das jetzt dran. Aktuell haben etwa Meister der Meditation ungewöhnlich viel Zuspruch. Was machen sie überwiegend? Sie halten sich still. Das tut der Seele gut und ist sogar in mehrfacher Hinsicht für den Körper gesund.

Ich wünschen uns allen Momente des Stillwerdens, wo wir die Herzschläge unserer Gesellschaft wieder spüren können.  

Clemens Fiebig

Bild: Peter Weidemann in: Pfarrbriefservice.de