Dienstag, 10. Mai 2016

Forum der Religionen: „Streitbar und kompromissfähig“

Fünf Religionen und acht Konfessionen,  außerdem die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der christlich-jüdische Dialog und der christlich-islamische Gesprächskreis bilden das Forum der Religionen in Ludwigshafen. Mit einer Feier im Ernst-Bloch-Zentrum wurde es nun offiziell gegründet.

Der 8. Mai als Gründungstag, der  auch der Jahrestag des Kriegsendes 1945 ist, war auch Thema bei der Festveranstaltung. „Wir haben gesehen, wohin Rassismus und Intoleranz führen“, betonte die protestantische Dekanin Barbara Kohlstruck in ihrer Begrüßung. Sechs Vertreter von verschiedenen Religionsgemeinschaften erklärten kurz – und damit besonders eindrucksvoll – ihre Erwartungen an das Forum.

Pfarrer Stefan Bauer fordert: „Religionen brauchen eine Stimme in der Stadt, denn sie leisten viel.“ Aus gegebenem Anlass erklärte der Muslim Ayhan Aydinli: „Der Islam gehört zu Ludwigshafen und auch zu Deutschland!“ Burcak Tuncel-Tülek von den Aleviten prophezeite: „Uns gehen die Themen nicht aus!“ Nadja Coors von der jüdischen Gemeinde mahnte, die schwierigen Themen künftig nicht auszusparen, denn „Unterschiede im Glauben sind Teil der Wirklichkeit.“ Olga Papazoglou von der griechisch-orthodoxen Gemeinde wünscht sich, dass die Mitglieder des Leitungskreises, zu dem auch der katholische Dekan Alban Meißner gehört, „streitbar und kompromissfähig“ sind, und Suthiya Schaich von den Buddhisten bittet um finanzielle Unterstützung, damit  eine Geschäftsführung weiterhin die Reihe von Aktivitäten fortführen kann.

Alle am Forum beteiligten Religionen und Konfessionen steckten im Anschluss an diese Kurzstatements unterschiedliche Blumen in eine Vase – laute Dekanin Kohlstruck ein Zeichen für die Vielfalt und das Miteinander.

Den Festvortrag hielt der Theologieprofessor Reinhold Bernhardt von der Universität Basel. Er stellte ihn unter das Bibelwort „Suchet der Stadt Bestes“. Das Forum werde „einen wichtigen Beitrag zum Wohl dieser Stadt leisten, wenn es den beteiligten Religionsgemeinschaften gelingt, nicht primär ihre Eigeninteressen zu verfolgen, sondern sich in den Dienst der Lebensgemeinschaft zu stellen.“ Dialog und konkrete Projekte seien „von kommunalem Interesse, weil sie die Zivilgesellschaft bereichern.“

Er nannte und verwarf drei Argumente, die gegen ein solches Forum sprechen könnten: Es seien nicht „blauäugige Gutmenschen“, die sich für den Religionsdialog einsetzen; vielmehr sorgten sie sich um das „bleibend Wichtige, die Schaffung einer Kultur vertrauensvoller Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften, die dem Radikalismus langfristig das Wasser abgräbt.“

Es gehe im Forum nicht darum, „die Ideologie des Multikulturalismus zu realisieren.“ Bernhardt erinnerte daran, dass Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten in Ludwigshafen Heimat gefunden haben und es nun darauf ankomme, „die Beziehungen zwischen diesen Gemeinschaften und zwischen ihnen und der Gesellschaft konstruktiv in einem dialogischen Geist zu gestalten.“ Und schließlich wehrte er sich vehement gegen die Kritik, interreligiöser Dialog stelle die eigene religiöse Identität zur Disposition: „Es geht nicht um eine Vereinheitlichung der Religion, sondern gerade um das Charakteristische und Besondere und damit um die bleibende Verschiedenheit der Religionen!“

In seinem Grußwort berichtete Talat Kamran, Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und Interreligiösen Dialog, erfrischend aufrichtig, wie es zur Gründung des Instituts kam, und dass auch heute noch viel gerungen werde: „Es war und ist nicht alles harmonisch, es gab und gibt viele Konflikte. Aber wir haben gelernt, miteinander zu reden und gemeinsam in die Gesellschaft zu reden, wenn es nötig ist. Darauf sind wir stolz.“

Musikalisch gestaltet wurde die Gründungsfeier vom Chor der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz und von Burcak Tuncel-Tülek mit Musik auf der Saz, einer Langhalslaute. Im Anschluss zeigte ein multikulturelles Büffet ebenfalls eindrucksvoll, wie vielfältig und bereichernd die vielen Religionsgemeinschaften in einer Stadt sein können.

Den Festvortrag von Prof. Bernhardt lesen Sie hier.

Foto ©: Horst Heib