Donnerstag, 20. April 2017

Rückblick auf die ökumenische Aktion „Auf Leben und Tod“

Ein Tabu wurde in Ludwigshafen gebrochen, darüber ist sich das Vorbereitungsteam der Aktion „Auf Leben und Tod“ einig: Die ganze Passionszeit über animierten große Tafeln vor dem Rathauscenter und im S-Bahnhof Lu-Mitte Passanten, sich Gedanken über Leben und Sterben, Tod und Trauer zu machen. Sie waren eingeladen, den Satzanfang mit Kreide zu vervollständigen: „Bevor ich sterbe, möchte ich….“ Kleinere Tafeln mit demselben Satzanfang standen für jeweils eine Woche in fünf Ludwigshafener Schulen.

„Wir haben viel gewagt“, sagte Joachim Lauer, Leiter der Passantenseelsorge Licht.punkt und der Jugendkirche, am Ende für alle aus dem Vorbereitungsteam. Es bestand aus der katholischen und evangelischen Citykirchenarbeit und den beiden Jugendkirchen. „Und wir haben viel gewonnen“, fügte er hinzu: neue Einsichten in das, was möglich ist, und was noch nicht möglich ist. Es gab viele Rückmeldungen, viele Gespräche an den Tafeln – und Veranstaltungen, zu denen weniger Besucher kamen als erhofft.

Die Tafelaktion war der eine Bestandteil des Projekts „Auf Leben und Tod“. Der andere war ein Bilderzyklus „Letzte Inszenierung“ mit Fotografien von Thomas Brenner. Die Aktion wurde jetzt an Gründonnerstag mit einem „bewegten Leichenschmaus“ beendet. Er startete am Licht.punkt, wo es einen Aperitif gab und einen Impuls in der Kapelle. Ein letztes Mal wurden die Menschen eingeladen, an die große Tafel zu schreiben, was sie sich in ihrem Leben erhoffen. Weiter ging es zur katholischen Kirche St. Ludwig. Dort wartete eine heiße Suppe auf die Teilnehmer. Das Motto dieser Station lautete: „Wenn der Weg lang und schwer wird….“ Letzte Station war die Melanchthonkirche, wo gemeinsam Agape gefeiert wurde. Hier waren Feuer und die Legende des Phönix das bestimmende Thema – und die Verbindung zum Christentum: „Abschied, Tod und Trauer sind nicht das Ende.“ Eingestimmt wurden die Teilnehmer auf dieses Thema durch eine Feuerjonglage mit Kevn Rigby vor der Kirche.

An diesem Abend wurden auch die Bilder von Thomas Brenner sicher verpackt. Vorher bestand noch einmal ausgiebig Gelegenheit, sie zu betrachten – und alle genossen gemeinsam ein Buffet mit verschiedenen Brotsorten und Brotaufstrichen.

Start der Aktion war an Aschermittwoch gewesen, als ein Sarg durch die Stadt getragen wurde. Am ersten Fastensonntag wurde die Bilderausstellung „Letzte Inszenierung“ mit einem Gottesdienst eröffnet und die Bilder danach an ganz unterschiedlichen Orten der Stadt gezeigt.

Zwei standen in St. Ludwig und waren unter anderem Thema bei den drei Musikmatineen am Samstag. Dekan Alban Meißner erhielt daraufhin einen Brief einer Kirchenbesucherin, die die Kirche regelmäßig besucht um innezuhalten. Sie schrieb: „Heute war ich fasziniert und sehr angetan von den ausgestellten Kunstwerken. Mich berührte jenes mit den Schatten tief. Aber auch das  andere Motiv, vor allem die hinter dem Jägerzaun stehenden Personen, ließen mich nicht los“.

Joachim Lauer über seine Beobachtungen an den Tafeln: „Manche liefen zielstrebig zum Kreidekästchen und schrieben ein oder mehrere Gedanken auf. Geradezu unglaublich war aber, wie einfach wildfremde Menschen hier miteinander ins Gespräch kamen - über ein Thema, bei dem uns ansonsten oft nicht einmal der Satz „Ich habe keine Worte“ über die Lippen kommt!“

Beim Filmgottesdienst in der Jugendkirche mit rund 130 Jugendlichen luden zehn Filmszenen und der Chor „AmiCanta“ aus Jockgrim auf eine besondere Art ein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Bei den Fürbitten – sie bestanden aus Kerzen anzünden für Verstorbene – waren viele zu Tränen gerührt. Auch die Spätschichten, die die beiden Jugendkirchen gemeinsam feierten, hatten die Aktion zum Thema.

Von Bärbel Bähr-Kruljac, zuständig für die protestantische Citykirchenarbeit, stammte die Idee zu „have a break – have a picture“. An ungewöhnlichen Orten wie einem Café und einer Metzgerei wurden Kunden eingeladen, die dort ausgestellte Brenner-Fotografie zu betrachten und spontane Gedanken zu äußern.
Ein weiterer Höhepunkt war die musikalische Lesung mit Madeleine Sauveur und Clemens Maria Kitschen in der Trauerhalle des Hauptfriedhofs. Rund 40 Interessierte waren gekommen und lauschten den eigenen und fremden Texten der Mannheimer Kabarett- Chansonniere, die einen Bogen spannten zwischen heiteren und sehr nachdenklich stimmenden Gedanken. Es war ein ungewöhnlicher Zugang zu diesem Thema, aber notwendig, wie Citykirchenpfarrerin Susanne Schramm in ihrer Begrüßung sagte: „Unangenehmem gehen wir ja lieber aus dem Weg.“